Die Routenkombination "Golden Spire" ist unsere neueste Kreation im Voralptal und sicherlich die beste und schwierigste Technoroute in einem größeren Radius. Hier findet ihr ein paar Worte dazu sowie alle Infos für eine Wiederholung.
Bigwallklettern lebt für mich von der Sehnsucht. Daran werde ich immer wieder erinnert, wenn sich der Sommer langsam verabschiedet und der Herbst vor der Tür steht. Diese Zeit des Jahres verbinde ich mit Abenteuern wie unseren Reisen in die USA. Zuletzt waren wir dort vor zwei Jahren, im Herbst 2022. Michaela, ich und dieses Wesen in ihrem Bauch, das mittlerweile als wunderbarer kleiner Mensch im Zentrum unseres Lebens steht (und uns jeden Tag aufs Neue zeigt, was man mit Mut und Frohsinn alles schaffen kann). Wir kletterten drei Routen am El Capitan, darunter das berühmte „Shield“. Kurz bevor das Wetter kippte, verließen wir das Yosemite Valley Richtung Süden, mit dem Bewusstsein, dass wir diese tollen Erinnerungen hüten müssen wie einen Schatz.
Nach einer längeren Pause packten wir im August 2024 wieder einmal unser Bigwall-Material für eine gemeinsame Aktion im Urner Granit. Unser Ziel: eine neue Routenkombination im Voralptal, welche die besten und schwierigsten Seillängen bestehender Technorouten zu einer harten Direktroute verbindet. Herzstück sollte die fast strukturlose Platte zwischen „The School of Rock“ und „Muja Hedder“ bzw. „The Shield“ sein, durch die noch kein Weg führte.
Michaela und ich sind Allroundalpinisten und schätzen die große Vielfalt, die uns die Berge und Wände bieten. Bei einigen unserer Projekte wie der Winter-Direttissima der Zugspitze Nordwand war das Technische Klettern ein entscheidendes Element. Für mich ist es aber mehr als nur Mittel zum Zweck. Seit meiner Kindheit bin ich fasziniert von Seiltechnik, Kletterausrüstung und durchaus auch von etwas rustikaleren Techniken wie dem Einsatz von Hammer und Haken. Darin liegt sicher ein Teil der Motivation begründet. Für die Aufgeregtheit und Vorfreude sorgt jedoch die Vorstellung, etwas Neues zu entdecken, zu formen, zu veredeln, im besten Fall etwas Wertvolles zu schaffen. Und dann sind es noch diese ganz besonderen Orte, an denen wir uns bewegen: die traumhaft schönen Täler, die glatten Wände, die Berge rundherum.
Oft wird geschrieben, das Klettern in den Bergen wäre nutzlos, würde niemandem etwas bringen. Das sehe ich anders. Abgesehen vom großen Wert für den Einzelnen kann es auch ein Beitrag zu etwas Größerem sein. Michaela und mich hat es zusammengeführt, verbunden und ein Stück weit auch vorbereitet auf die Herausforderungen unseres neuen Lebensabschnitts. Das Klettern im Voralptal in diesem speziellen Gelände hatte für mich nun den Hauch einer Reise in die Vergangenheit, weckte unzählige Erinnerungen und Emotionen. Gleichzeitig zeigte es uns die Möglichkeiten auf, die wir immer noch haben. Es liegt an uns, diese zu erkennen und anzunehmen, auch wenn ihr Ruf leiser ist. In diesem Sinne hoffe ich, dass unsere neue Routenkombination auch andere inspirieren wird, diesen besonderen Ort zu besuchen und für sich zu entdecken.
Zuletzt ein Wort zur Namensgebung: Natürlich spielte der Anblick der rötlichen Felsen im warmen Abendlicht eine Rolle. Vor allem aber soll der Routenname zum Ausdruck bringen, welchen hohen Wert diese Felsen und ihre Routen für mich haben.
Text: Fritz Miller, 09/2024
Erstbegehung (3. SL + Kombination)
Fritz und Michaela Miller am 10. und 11. August 2024
Routenbeschreibung
Eine neue Seillänge im Grad A4 verbindet die besten und schwierigsten Seillängen bestehender Technorouten zu einer eleganten, fast durchgängig überhängenden Direktroute. Herzstück ist die nahezu strukturlose Platte zwischen „School of Rock“ und „Muja Hedder“. Diese ist aufgrund des freien Sturzraumes relativ sicher, gleichzeitig verlangt sie besondere Fertigkeiten im Technischen Klettern. Die Felsqualität ist in der gesamten Route außergewöhnlich gut, alle Standplätze liegen an bequemen Bändern oder Absätzen. Erst am Nachmittag kommt die Sonne in die Wand und die letzte Seillänge verläuft nordseitig – ein gutes Ziel also für warme Tage. Obwohl es nur fünf Seillängen sind, sollte man für eine Wiederholung zwei Tage einplanen (entweder die ersten Seillängen fixieren und im Tal übernachten oder am großen Band biwakieren).
Die einzelnen Seillängen
1. SL: 50 m, A3- | Einstieg über Muja Hedder. Vom Hängestand unterm kleinen Dach gerade weiter bis zum Biwakband. Wir fanden in dieser Direktvariante keine Begehungsspuren, gut möglich aber, dass sie schon früher begangen wurde. Die gesamte Einstiegswand wird in einer langen SL geklettert (mehrfach backcleanen). Anschließend verlegt man den Stand 5 m nach links unter die nächste Länge.
2. SL: 35 m, A3- | Durch die spektakulär glatte Verschneidung (3. SL „School of Rock“) zu bequemem Absatz. Anm.: Die Standhaken waren bei der Eröffnung von „School of Rock“ bereits existent, ihr Ursprung ist uns nicht bekannt.
3. SL: 42 m, A4 | Rechtshaltend knapp 10 m zum Bolt (M10). Weiter rechtshaltend über glatte Platte zu 8-mm-Rivet mit belassenen Hanger (4 x Bat Hook 8 mm, alle Punkte in einer Linie, große Abstände). Nun heikel zum zweitem Rivet (Micro Beaks an Kristallen, Hooks) und weiter zum feinen Riss, welcher zum markanten Baum und dem dahinterliegenden Band führt.
4. SL: 35 m, A3-, 5c | Techno-Ausstieg von „The Shield“. 6er-Cam am breiten Riss, dann immer linkshaltend durch die Platte, bis zur Nordseite des Turms. Zuletzt heikle Freikletterei (Wechsel auf Kletterschuhe).
5. SL: 35 m, A2 | Drei 8-mm-Bolts sowie ein Hook-Loch (8mm) vor dem ersten Bolt. Weiter über Riss bis zum Gipfel des Turms. Dort Abseilstand und Gipfelbuch.
Zustieg
Von der Voralpkurve (1402 m, Parkplatz und Bushaltestelle) dem Weg zur Voralphütte folgen. Nach 20 min Gatter, kurz darauf Doppelkehre. 13 m nach der zweiten Kehre rechts hoch in schwache Waldschneise (ca. 1565 m). Den Steinmännern folgen bis kurz vor den Einstieg der Route „Traumschiff“ am untersten Ansatz des Pfeilers. Weiter aufsteigen, zuletzt über große Blöcke und durch Spalt direkt an der Wand zu den Einstiegen. Mit Bigwall-Gepäck insgesamt 1h10.
Abseilen
Bis zum Biwakband seilt man am besten über „School of Rock“ ab, wie im Topo eingezeichnet. Vom Gipfel des Turms einmal kurz abseilen (ca. 15 m) zu Bolt mit Maillon und Ring (Zwischenhaken vom „Traumschiff“). In der Verschneidung oberhalb des Biwakbandes Zwischensicherungen clippen, sonst hängt man in der Luft!
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